Viraler Krupp-Anfall (Pseudokrupp)

Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie

Steckbrief

Der akut auftretende virale Krupp-Anfall ist charakterisiert durch bellenden Husten, Heiserkeit und akut auftretenden inspiratorischen Stridor. Typisch für den viralen Krupp ist das nächtliche Auftreten aus dem Schlaf heraus, zumeist während des Winterhalbjahres. Meist sind Kleinkinder zwischen 6 Monaten und 3 Jahren betroffen. Standardtherapie aller Stadien ist die Applikation von rektalem Prednisolon oder Prednison (100 mg für alle Altersstufen) oder oralem Dexamethason, wobei eine Wirkung aber nach frühestens 30 Minuten einsetzt. Bei Vorliegen von akuter Dyspnoe oder Ruhestridor bzw. biphasischem Stridor (kritische Stenose mit Behinderung der Ausatmung) sollte deshalb eine Inhalationstherapie mit unverdünntem Adrenalin erfolgen. Die abschwellende Wirkung des Adrenalins setzt rasch ein.

Definition

  • Bei dem viralen Krupp-Anfall handelt es sich um eine viral ausgelöste akute obere Atemwegsobstruktion, welche vorwiegend  nachts und im Winterhalbjahr bei Kleinkindern auftritt.
  • Er führt durch eine Schleimhautschwellung im Bereich der engsten Stelle des kindlichen Atemweges (subglottische Enge) zu akuter Erstickungsgefahr.

 

Epidemiologie

Häufigkeit

  • 12% der präklinischen Kindernotfälle im Münchner Kindernotdienst [1]
  • Gehäuftes Auftreten im Winterhalbjahr (September–März)

 

Altersgipfel

  • 6 Monate bis 3. Lebensjahr
  • Selten bei Kindern < 6 Monate oder > 10 Jahre

 

Geschlechtsverteilung

  • m : w = 1 : 1

Prädisponierende Faktoren

  • Virale Atemwegsinfektionen

Ätiologie und Pathogenese

  • Oft oberer Atemwegsinfekt vorausgehend (Rhinitis)
  • Auslöser: Parainfluenza, RSV (Respiratorisches Synzytial-Virus), Adenovirus, Rhinoviren, Metapneumovirus, Influenza A/B
  • Entzündliche Schleimhautschwellung mit Stenose subglottisch/glottisch
  • Häufigste Ursache für das Auftreten eines akuten inspiratorischen Stridors

 

Klassifikation und Risikostratifizierung

  • Es existieren verschiedene Scoring-Systeme, deren klinische Bedeutung aber zweifelhaft ist.
  • Inspiratorischer Stridor in Ruhe oder Zeichen von akuter Atemnot (Tachydyspnoe, Einziehungen jugulär, interkostal, subkostal) als Hinweis auf eine therapiebedürftige Stenose
  • CAVE: biphasischer Stridor (in- und exspiratorisch) als Zeichen einer lebensbedrohlichen kritischen Obstruktion
  • Klinische Einteilung nach Ausprägung des Stridors und Vorhandensein von Dyspnoezeichen:
    • milde Form:
      • Stridor nur bei Aufregung/Belastung
      • keine Dyspnoezeichen
    • mittelschwere Form:
      • Ruhestridor und/oder Ruhedyspnoe (Einziehungen jugulär, interkostal, subkostal)
      • Exspiration passiv
    • schwere Form:
      • ausgeprägte Atemnot
      • schlechter inspiratorischer Lufteintritt
      • biphasischer Stridor (in- und exspiratorisch)
      • Exspiration aktiv (pressend)
    • schwerste Form:
      • Bewusstseinsveränderung
      • Zyanose
    • Je leiser der Stridor, desto relevanter kann die Atemwegsobstruktion sein.

 

Symptomatik

  • Beginn zumeist aus dem Schlaf heraus, manchmal wechselnd über Tage
  • Inspiratorischer Stridor:
    • nur bei Aufregung?
    • in Ruhe?
    • biphasischer Stridor?
  • Zeichen erhöhter Atemarbeit:
    • Tachydyspnoe
    • Einziehungen jugulär, interkostal, subkostal
  • Bellender Husten
  • Heiserkeit
  • Kein Speichelfluss
  • Keine Schluckbeschwerden (z.  „hat gut getrunken“)
  • Freie Beweglichkeit von Kopf/Hals (Differenzialdiagnose: Epiglottitis, Paratonsillarabszess, Retropharyngealabszess)
  • Subfebrile Temperaturen (zumeist < 38,5°C)
  • Zumeist guter Allgemeinzustand
  • Bei schwerem Verlauf ggf. Blässe und Zyanose

 

Diagnostik

Diagnostisches Vorgehen

  • Pulsoxymeter
    • Zyanose aber erst kurz vor respiratorischer Erschöpfung
    • Ärgern sich die Kinder, kann dies die Dyspnoe verschlechtern!
  • CAVE: keine invasiven Maßnahmen wie Racheninspektion, Rachenabstrich oder intravenösen (i. ) Zugang (reflektorischer Herz-Kreislauf-Stillstand)
  •  i.v.-Zugang zumeist nicht notwendig (außer bei drohender respiratorischer Insuffizienz)
  • Keine Trennung des Kindes von Mutter/Vater

 

Anamnese

  • Impfungen nach STIKO (Ständige Impfkommission)
    • Ausschluss einer Epiglottitis durch Haemophilus influenzae Typ B und Diphtherie
  • Hinweis auf Fremdkörperaspiration?
    • Gab es ein klares Aspirationsereignis mit Erstickungsanfall?
    • Waren zuvor Nüsse, ungekochte Karotten, Spielzeugkleinteile oder andere Gegenstände in der Nähe des Kindes?
  • Hinweis auf allergische Genese mit Glottisödem (Urtikaria, bekannte Allergie)
  • Schluckbeschwerden
    • Epiglottitis
    • Retropharyngealabszess
    • Paratonsillarabszess

 

Körperliche Untersuchung

  • Kurze klinische Untersuchung:
    • Lufteintritt (Thoraxexkursion, Auskultation)
    • Stridor nur bei Aufregung, in Ruhe oder als biphasischer Stridor
    • Atemfrequenz (Tachypnoe, ggf. Bradypnoe als Zeichen der respiratorischen Erschöpfung)
    • Atemarbeit (Einziehungen jugulär, interkostal, subkostal)
    • Oxygenierung (Zyanose, Blässe)

 

Labor

  • Keine Angabe

Differenzialdiagnosen

  • Bei Beginn des Krupp-Anfalls tagsüber sind andere Ursachen wie Epiglottitis, Fremdkörperaspiration oder Anaphylaxie in Erwägung zu ziehen.
  • Der klassische virale Krupp-Anfall beginnt zumeist nachts aus dem Schlaf heraus.

 

Tab. 80.1 Differenzialdiagnosen.

Differenzialdiagnose Bemerkungen
Epiglottitis
  • schlechter, septischer Allgemeinzustand
  • hohes, therapieresistentes Fieber
  • Schluckbehinderung mit Speichelfluss
  • zumeist keine Impfung gegen Haemophilus influenzae Typ B (alle 5- und 6-fach-Impfstoffe ab 3. Lebensmonat)
Fremdkörperaspiration (FK-Aspiration)
  • Aspirationsereignis mit Erstickungsanfall nicht immer erinnerlich
  • inspiratorischer Stridor akut tagsüber ohne Hinweis auf begleitenden milden Virusinfekt verdächtig für FK-Aspiration
    • Verdacht auf laryngeale Lage des Fremdkörpers mit Notwendigkeit der Notfallbronchoskopie
Anaphylaxie
  • bekannte Allergie
  • Urtikaria
  • akutes Larynxödem möglich
    • Adrenalin 0,01 mg/kgKG i. m.
Paratonsillarabszess, Retropharyngealabszess
  • Mundgeruch
  • Halslymphknoten schmerzhaft vergrößert
  • evtl. Zwangshaltung des Kopfes
  • Anamnese Angina
Tracheitis
  • Husten mit eitrigem Auswurf
  • schlechter AZ mit Fieber
  • zumeist älteres Kind
C1-Esterase-Inhibitor-Mangel hereditäres Angioödem als seltene Ursache eines rez. Larynxödems mit inspiratorischem Stridor
AZ: Allgemeinzustand, i. m.: intramuskulär, rez: rezidivierend

Therapie

Therapeutisches Vorgehen

  • Kalte/feuchte Luft (z.B.  Kind in Decke einwickeln und an offenes Fenster stellen)

 

Steroide

  • In allen Stadien obligat, Wirkungseintritt nach 30–45 min
  • Prednison/Prednisolon altersunabhängig 100 mg Suppositorium rektal (z.B.  Rectodelt, Klismacort, Infectocortikrupp)
  • Dexamethason 0,15 mg/kg oral (z. B. Infectodexakrupp-Saft 2 mg/5 ml)
    • Oral gute Alternative
    • Orale Medikamentenapplikation aber häufig schwierig
    • Bei sich stark wehrendem Kind abbrechen und dann Steroid rektal (nach)geben
    • Wirkung rektal und oral klinisch identisch
  • Bei weniger schwerem Verlauf evtl. alternativ inhalatives Steroid (z.B.  Budenosid 1–3 × 2–4 mg über möglichst dicht sitzende Inhaliermaske mit Düsenvernebler

 

Adrenalin per inhalationem (p.i.)

  • Bei Ruhestridor, Dyspnoezeichen, Zyanose, Blässe, schlechtem Allgemeinzustand (AZ)
  • Wirkungseintritt rasch innerhalb weniger Minuten
  • Adrenalin 1:1000 3–5 ml p.  (z.B. Suprarenin Adrenalin-Jenapharm etc.)
    • Über Inhaliermaske mittels O2-Feuchtinhalation
    • Infectokrupp-Inhal 1–2 ml (4 mg/ml)
  • Bemerkungen:
    • Adrenalin immer unverdünnt inhalieren
    • Adrenalin 1:1000 nicht zugelassen für Krupp-Therapie
      • Off-Label-Use
      • weitverbreitet eingesetzt, wirkt effektiv
      • deutlich günstiger als Infectokrupp-Inhal
    • Infectokrupp-Inhal zugelassen für Krupp-Therapie
    • Effekt rasch, hält ca. 2 h an, niemals ohne gleichzeitige Steroidgabe
    • Wegen der Gefahr eines Rebound-Effekts ist eine Überwachung für 2(–4)h zu empfehlen, um ggf. sofort erneut mit Adrenalin inhalieren zu können.

 

Erweitertes Atemwegsmanagement

  • Bei konsequenter Inhalationstherapie und frühzeitiger Steroidgabe können Intubationen fast immer verhindert werden.
  • Alarmzeichen:
    • Apnoen, Zyanose
    • schlechter Lufteintritt mit reduzierter Thoraxexkursion
    • biphasischer Stridor (in- und exspiratorischer Stridor mit aktiver pressender Exspiration)
  • Dann i. v. oder intraossärer (i. o.) Zugang notwendig
  • Narkoseeinleitung (z.B.  Propofol 2–3 mg/kg, Midazolam 0,1–0,2 mg/kg, S-Ketamin 1–2 mg/kg) mit Relaxierung (z.B. Rocuronium 1 mg/kg, Vecuronium 0,1 mg/kg)
  • Tubus mind. (0,5–)1 mmID kleiner als für das Alter empfohlen
    • CAVE: subglottische Enge mit schwerer oberer Atemwegsobstruktion
  • Intubation immer oral mit Führungsstab

Abb. 80.1 Stadiengerechte Therapie des viralen Krupp-Anfalls .

Abk. p. i.: per inhalationem.

Verlauf und Prognose

  • Unter adäquater Inhalationstherapie und frühzeitiger Steroidgabe zumeist benigner Verlauf ohne Notwendigkeit eines erweiterten Atemwegsmanagements.
  • Zumeist Verlauf über 2 oder maximal 3 Nächte, deshalb häufig am nächsten Abend nach einem Anfall prophylaktische Steroidgabe, um einen erneuten Krupp-Anfall zu verhindern.
  • Bei notwendig gewordener Intubation: engmaschige Beobachtung post extubationem, da häufig narbige Postintubationsstenosen entstehen können.

 

Synonyme

  • Stenosierende Laryngotracheitis
  • Viraler Krupp
  • Croup

 

Keywords

  • Obere Atemwegsobstruktion
  • Bellender Husten
  • Inspiratorischer Stridor
  • Stenosierende Laryngotracheitis
  • Viraler Krupp
  • Croup

 

Quellenangaben

  • [1] Anthuber N. Einsatzzahlen im Kindernotarztdienst München: was hat sich in den letzten zehn Jahren geändert? München; Hochschulschrift: 2015

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Literatur zur weiteren Vertiefung

  • [1] Keil J, Olivieri M, Hoffmann F. Das 1×1 der häufigsten Kindernotfälle. Notfallmed up2date 2013. doi: 10.1055/s-0032-1325043
  • [2] Demirakca S, Hinrichs B, Nicolai T. Algorithmus zum Vorgehen beim respiratorischen Notfall. Monatsschr Kinderheilkd 2013; 161:429–438

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  • [3] Nicolai T, Hoffmann F. Kindernotfall-ABC – Kompendium für Notärzte und Kindernotärzte. 2. Auflage Berlin, Heidelberg: Springer; 2014

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Herausgeber*innen, Autor*innen

Herausgeber*innen: Jens Scholz, Jan-Thorsten Gräsner, Andreas Bohn
Autor*innen: Florian Hoffmann

Letzte Änderung: 24.09.2021

eRef-Link: https://eref.thieme.de/referenz/referenz_0463