Multiples Myelom: Aktuelle Empfehlungen zu Diagnose und Management
Zu den Hauptkomplikationen des Multiplen Myeloms (MM) zählen außer dem Knochenbefall die Anämie, die Hyperkalzämie, das Nierenversagen und das erhöhte Infektionsrisiko, berichtet Vincent Rajkumar von der Abteilung für Hämatologie der Mayo Clinic in Rochester/Minnesota. Er gibt einen umfassenden Überblick über die Diagnose, die Risikostratifizierung und die Therapie der hämatologischen Erkrankung.
Nahezu alle MM entwickeln sich aus einem asymptomatischen prämalignen Stadium, einer sogenannten monoklonalen Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS), erläutert der Experte. In einigen Fällen schreitet diese zunächst zu einem intermediären prämalignen Smoldering Multiple Myeloma (SMM) fort. Die Diagnose MM darf gestellt werden, wenn in der Knochenmarkbiopsie mindestens 10% klonale Plasmazellen bzw. bioptisch ein medulläres oder extramedulläres Plasmozytom nachgewiesen werden und zusätzlich mindestens ein MM-definierendes Ereignis vorliegt: Eine CRAB-Konstellation (Hyperkalzämie, Nierenversagen, Anämie, Osteolysen), ≥ 60% klonale Plasmozytose im Knochenmark, freier Serum-Leichtketten (FLC)-Quotient ≥100 (Voraussetzung: FLC ≥100 mg/l und monoklonales Protein im Urin ≥200 mg/24 Stunden) oder mehr als eine mindestens 5mm große fokale Läsion in der Magnetresonanztomografie. Die entarteten Plasmazellen weisen eine Reihe primärer und sekundärer zytogenetischer Anomalien – insgesamt wurden bei Betroffenen mehr als 400 somatische Mutationen nachgewiesen – auf, deren Konstellation die onkologische Prognose beeinflusst. Folgende molekulargenetische Konstellationen kennzeichnen laut eines Risikostratifizierungsinstruments der Mayo Clinic (mSMART) ein Hochrisiko-MM: t(4;14), t(14;16), t(14;20),del(17p), gain(1q) und del(1p). Bei Vorliegen von 2 dieser Hochrisikofaktoren spricht man von einem Double-Hit- und bei 3 oder mehr Hochrisikofaktoren von einem Triple-Hit-Myelom. Weitere Indikatoren für eine aggressive Myelombiologie stellen die erhöhte Serum-Laktatdehydrogenase sowie der Nachweis zirkulierender Plasmazellen dar, berichtet der Autor.
Therapie
Zahlreiche Kombinationen unterschiedlicher Wirkstoffe werden erfolgreich zur MM-Therapie eingesetzt, so der Experte weiter. Gegenwärtig kommen unter anderem Immunmodulatoren (Thalidomid, Lenalidomid, Pomalidomid), Proteasominhibitoren (Bortezomib, Carfilzomib, Ixazomib), gegen verschiedene Myelomantigene gerichtete monoklonale Antikörper (Elotuzumab, Daratumumab, Isatuximab), Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (Belantamab mafodotin), bispezifische Antikörper (Teclistamab, Elranatamab, Telquetamab) sowie CAR-(Chimärer Antigenrezeptor)-T-Zelltherapien (Idecabtagen vicleucel, Ciltacabtagen autoleucel) zum Einsatz. Die Therapie des neu diagnostizierten symptomatischen MM hängt von der Eignung zur autologen Stammzelltransplantation ab. Diesbezüglich existiert in den USA keine Altersgrenze, berichtet der Autor. Nach der Induktionstherapie und Gewinnung der Stammzellen kann die Transplantation sofort durchgeführt oder – bei einer Standardrisiko-MM-Konstellation in ausgewählten Fällen – bis zum ersten Rezidiv aufgeschoben werden. Für gebrechliche Patientinnen und Patienten, die sich nicht für eine Stammzelltransplantation eignen, empfiehlt Vincent Rajkumar 8 bis 12 Zyklen Bortezomib, Lenalidomid und Dexamethason, gefolgt von einer Erhaltungstherapie oder alternativ Daratumumab, Lenalidomid und Dexamethason bis zum Progress. Für Personen mit einem Standardrisiko-MM, die mit autologer Stammzelltransplantation oder mit Bortezomib, Lenalidomid und Dexamethason behandelt wurden, empfiehlt er eine Lenalidomid-Erhaltungstherapie. Beim Hochrisiko-MM rät er dagegen zur Erhaltungstherapie mit Bortezomib und Lenalidomid. Beim Rezidiv richtet sich die Wahl der Wirkstoffkombination nach dem Zeitpunkt und der Aggressivität des Rezidivs, dem Ansprechen auf vorangegangene Therapien und dem Allgemeinzustand. Hierbei kommen auch neuere Verfahren wie die CAR-T-Zelltherapie zum Einsatz.
Fazit:
Alle MM-Kranken sollen mit Bisphosphonaten oder alternativ Denosumab behandelt werden, schließt der Autor. Er hebt zudem die Infektionsprophylaxe hervor: MM-Kranke sprechen schlechter auf die COVID-19-Vakzine an und benötigen daher Auffrischimpfungen. Unter der MM-Therapie sei ferner eine Prophylaxe mit Antibiotika bzw. Virostatika indiziert. Intravenöse Immunglobuline sind bei häufigen Atemwegsinfekten aufgrund einer Hypogammaglobulinämie unter Daratumumab indiziert.
Quelle:
[1] Rajkumar SV. Multiple myeloma: 2024 update on diagnosis, risk-stratification, and management. Am J Hematol 2024; 99(9): 1802–1824. DOI: 10.1002/ajh.27422
Autor Studienreferat: Dr. med. Judith Lorenz, Künzell